Walt Whitman

Ich singe den Lein den Elektrischen

 

ich habe gefunden
mit denen zu sein die ich liebe ist genug
am abend mit den anderen in gesellschaft zu verweilen ist genug
umgeben zu sein
von schönem neugierigen atmendem lachendem fleich ist genug
durch sie hinzugehen oder eines von ihnen zu berühren
oder meinen arm wenn auch noch so leicht
um seinen oder ihren nacken einen augenblick ruhen zu lassen

was ist das noch ?

ich verlange nicht größere lust
ich schwimme darinwie in einem meer

 

Ausschnitte aus Gesang von mir Selbst

- meines fußes druck ruft hundert wirkungen hervor
sie spotten meiner mühe sie aufzuzählen


- was am gewöhnlichsten wohlfeilsten nächsten gelegensten ist
bin ich
ich - versuchend mein glück verschwendend
um wiederzuernten in fülle

- hörtest du es sei gut den sieg zu gewinnen
ich sage auch fallen ist gut
schlachten werden verloren im selben geist wie gewonnen

- in dieser stunde sag ich dir vertrauliche dinge
nicht jedem mag ich sie sagen
aber ich sage sie dir

- allem was ich mein bezeichne sollst du das deine entgenstellen
anders wäre es verlorene zeit mich anzuhören

- in allen menschen sehe ich mich selbst
nicht mehr und nicht ein gerstenkorn weniger
und das gute und schlechte das ich von mir sage
sage ich auch von ihnen
ich weiß ich bin fest und gesund
zu mir strömen von allen seiten dinge des weltalls - unaufhörlich
alle sind an mich geschrieben und ich muß die schrift entziffern

- ich existiere wie ich bin - das genügt
gewahrt mich kein mensch so sitz ich zufrieden
und gewahren mich alle und jeder so sitz ich zufrieden
eine welt ist meiner gewahr bei weitem die größte für mich
und das bin ich selbst
und ob ich zum meinigen heute gelange
oder in zehntausend oder millionen jahren
ich kann es fröhlich nehmen oder ebenso fröhlich warten
meines fußes halt ist verzapft und mörtelt in granit
ich verlache das was ihr auflösung nennt
ich kenne die fülle der zeit

- ich singe den gesang von entfaltung und stolz
ducken und demütigungen hatten wir gerade genug
ich zeige das größe nichts anderes ist als entwickling

- ich glaube ein grashalm ist nicht geringer als das tagwerk der sterne
und die ameise ist nicht minder vollkommen
und des zaunkönigs ei und ein sandkorn
und die baumkrone ist ein meisterstück vor dem höchsten
und die brombeerranken könnten die hallen des himmels schmücken
und das schmalste gelenk meiner hand spottet aller technik
und die kuh die wiederkäut mit gesenktem kopf
übertrifft jedes bildwerk
und eine maus ist wunder genug
um millionen ungläubige wankend zu machen

- ich habe was hinter mir liegt aus gutem grund weit überholt
rufe aber wenn ich will alles wieder heran zu mir

- auch du stellst fragen an mich und ich höre
ich antworte - daß ich nicht antworten kann
du mußt es selber herausfinden

- lange genug hast du verachtenswerte träume geträumt
jetzt wasche ich dir schleim aus deinen augen
du mußt dich an das blenden des lichts
und jedes augenblicks gewöhnen
lange hast du zaghaft an deine pranke dich klammernd am ufer gewartet
nun will ich daß du ein kühner schwimmer wirst
abspringst mittenhinein in die see - wieder emportauchst - mir zunickst
jauchzent und lachend das wasser schüttelst aus deinem haar

An Dich

 

ich aß mit dir und schlief mit dir
dein körper blieb nicht dein eigen allein
noch ließ er meinen körper mir allein

du gibst mir die lust deiner augen
deines gesichts und fleisches
indes wir vorbeigehen
du nimmst von meinem
bart brust händen dafür

ich will nicht zu dir reden
ich will an dich denken
wenn ich alleine sitze
oder nachts alleine wache

ich will warten
ich zweifle nicht -
daß ich dir wieder begenen werde

ich will darauf achten
daß ich dich nicht verliere

An einen Fremden

Fremdling

wenn du mich im vorrübergehen triffst
und hast verlangen zu mir zu reden

warum solltest du nicht reden mit mir

und warum

sollte ich nicht reden mit dir

Ausschnitte aus Gesang der Landstraße

- zu fuß und leichten herzens schlage ich die offene straße ein

- die erde das ist genug
ich wünsch mir die sternenbilder nicht näher
ich weiß wo sie sind - sind sie gut
ich weiß sie genügen denen die zu ihnen gehören

- ich glaube was immer ich treffen werde hier unterwegs das werde ich mögen
und wer immer mich sehen wird wird mich mögen
ich glaube wen immer ich sehe muß glücklich sein

- hier kommt die wahrheit ans licht
hier muß der mensch stich halten - hier zeigt sich was in ihm ist
vergangenheit zukunft erhabenheit liebe-
sind sie nicht in dir so bist du auch nicht in ihnen
einzig der kern jedes dinges zählt
wo ist der die schale abstreift für dch und mich
wo ist der trug und hüllen zerreißt für dich und mich
hier ist gemeinschaftsgefühl - nicht vorbedacht sondern im augenblick geboren
weißt du was es heißt im vorbeigehen geliebt zu werden von fremden
kennst du die sprache dieser sich drehenden augenbällen
hier ist das strömen der seele
das strömen der seele kommt von innen her durch unerlaubte pforten
immerdar fragen weckend
dieses sehnen - warum
diese gedanken im dunkeln - warum
warum gibt es männer und frauen in deren nähe
das sonnelnlicht mir das blut schwellt
warum wenn sie von mir gehen sinkel die wimpel meiner freude schlaff und matt
warum gibt es bäume unter deben ich niemals gehe ohne
das große melodische gedanken sich auf mich senken
was ist es daß ich so jäh mit fremden tausche

- was macht mich empfänglicher für eines mannes oder weibes wohlwollen
was sie für das meine

- allons doch sei gewarnt
wer mit mir wandert braucht ausdauer sehnen und das beste blut
keiner komme zur probe bringt er nicht mut und gesundheit mit
komme lieber nicht - wenn du dein bestes schon verbraucht hast
die alleine sollen kommen die da kommen in süßen und festen leibern
kein siecher keins schnapssäufer keine venerische pest darf hier mit
( ich und die meinen überzeugen nicht durch beweise gleichnisse reime
wir überzeugen durch sein )

- hör ich will ehrlich sein mit dir
ich biete nicht die alten - glatten preise
ich biete dir neue - raue preise
dies ist die ordnung die für dich gelten muß
du sollst nicht anhäufen was man reichtum nennt
du sollst ausstreuen mit verschwendender hand
alles was du verdienst und vollbringst

- du sollst dich nicht halten lassen
von denen die ihre offenen hände ausstrecken nach dir

- immer lebendig immer voran
würdevoll feierlich traurig vereinsamt verschüchtert rasend ungestüm schwach enttäuscht verzweifelt stolz liebevoll krank
von menschen geehrt von menschen verworfen
sie wandern sie wandern
ich weiß daß sie wandern - doch weiß nicht wohin
doch ich weiß sie wandern dem besten - wandern etwas erhabenem zu

- allons der weg liegt vor uns
er ist sicher - ich habe ihn erprobt
meine eigenen füße heben ihn wohl erprobt - laß dich nicht halten
laß das papier unbeschrieben auf dem pult
und das buch ungeöffnet im gestell
laß das werkzeug leigen in der werkstatt
laß das geld unverdient
laß die schule stehen - achte nicht auf das geschrei des lehrers
laß den prediger predigen in seiner kanzel
laß den anwalt plädieren vor dem gericht und den richter das gesetz auslegen